Noch vor wenigen Jahrzehnten hatten Rückenschmerzen so gut wie keine Bedeutung. Dies hat sich in den letzten Jahren dramatisch geändert: viele Menschen beugen sich vor einem schmerzhaften Rätsel, das mitunter ihr ganzes Leben verändern kann.
In so ziemlich jeder Zeitschrift und Zeitung wird heutzutage über Rückenschmerzen geschrieben. Es ist ein Thema, in das viel Geld fließt, und womit sich auch viel Geld verdienen lässt. Was sagen die Experten?
Im Buch „Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule: Interdisziplinäres Praxisbuch – entsprechend den Nationalen VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz” kommen viele Experten zu Wort. Die Liste der berühmten Namen füllt schon vor dem ersten Kapitel viele Seiten. Dementsprechend wird dieses Buch auch gerne zitiert. Jedoch schon die Einleitung liest sich wie folgt:
Das heisst, die echten Experten — renommierte Orthopäden, Ärzte, und Therapeuten — sprechen von bis zu 95% der Fälle „unspezifisch”. Wie die Statistiken zeigen, wird es ja auch immer schlimmer mit den Kreuzschmerzen in Österreich und auch in Deutschland.
Man muss sich fragen was da eigentlich los ist… wie viele Menschen mit Rückenschmerzen gibt es eigentlich, und wie sieht die Zukunft aus? Sind Rückenschmerzen nur eine Zeiterscheinung und wird es bald wieder von selbst besser? Findet man dieses Problem nur in Mitteleuropa, oder geht es der ganzen Welt so?
Ein paar Blicke in die Statistik:
„Weder in der medizinischen noch in der Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts spielten Rückenschmerzen oder andere Rückenbeschwerden eine besonders wichtige Rolle. Heutzutage sind Rückenschmerzen und Krankheiten der Wirbelsäule in Deutschland und vergleichbaren Ländern eine Gesundheitsstörung von herausragender epidemiologischer, medizinischer und gesundheitsökonomischer Bedeutung. So sind Rückenleiden ein besonders häufiger Grund für die Inanspruchnahme des medizinischen Versorgungssystems, Arbeitsunfähigkeit und Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.” **
Wie sieht das in Österreich aus ?
Ganz ähnlich wie in Deutschland. Jahrbuch der Gesundheitsstatistik schreibt: „Im Rahmen der stationären Aufenthalte wurden im Jahr 2009 in allen österreichischen Krankenanstalten insgesamt 4.424.693 medizinische Einzelleistungen dokumentiert, darunter 1.198.705 operative Leistungen. Im Jahr 2009 wurden am häufigsten Operationen am Bewegungsapparat (300.758) durchgeführt. Tendenz steigend: im Jahr 2012 waren es bereits 303.132 Operationen am Bewegungsapparat”. In Österreich kennt jeder jemanden, der im letzten Jahr operiert worden ist. So geht das Jahr für Jahr.
Im Jahr 2007 (Erhebung Statistik Austria) leidete jeder dritte Österreicher über 15 Jahre an Wirbelsäulenbeschwerden. 1,5 Mio. Menschen hatten zum Zeitpunkt der Befragung zeitweise erhebliche Schmerzen, eine Million Menschen litten akut.
Allerdings: die meisten Österreicher lassen sich von solchen Schmerzen nicht das Gemüt trüben: rund 75,5% gaben an ihr Gesundheitszustand sei „sehr gut” oder „gut”.
Aber zumindest unsere Kinder sind doch gesund ?
“Ähnliche Ergebnisse lieferte z.B. eine Studie an 735 Schulkindern im Alter von 10 bis 18 Jahren aus der Region Lübeck. Die Häufigkeit von Rückenschmerzen wird insgesamt von der Häufigkeit von Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Schmerzen in den Gliedmaßen übertroffen. Mit zunehmendem Alter wird ihre Bedeutung jedoch größer und wird nur noch von Kopfschmerzen übertroffen. Diese Daten stehen im Einklang mit Berichten aus anderen europäischen Staaten, z. B. aus den Niederlanden und Finnland. In Finnland wurde bei Jugendlichen eine Zunahme tiefsitzender Rückenschmerzen seit 1985 beobachtet.”**
** alle Verweise aus Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Herausgeber: Robert Koch-Institut, Berlin 2012)
Aber wird es eh wieder von selbst besser?
Die meisten Säuglinge und Kinder haben keine schmerzfreien Vorbilder mehr – und lernen bzw. schauen sich fehlerhafte Bewegungs- aber auch Verhaltensmuster ab. Sie übernehmen die Gewohnheiten und kulturellen Bewegungsmuster der Erwachsenen. Man sagt „er geht wie sein Vater”, oder „sie hat die Figur der Mutter”. Unsere Kultur hat einen Teufelskreis betreten … und kommt von selbst nicht mehr raus.
K. Deutschländer schreibt in Orthopädisches Schulturnen, Leipzig 1929: „Die nackten Zahlen lassen erkennen, daß noch nicht einmal drei Zehntel unserer heranwachsenden Jugend miteiner normalen Körperhaltung ausgestattet ist.” Und das ist die Großelterngeneration – also die Eltern unserer Eltern.
Lewit schreibt 30 Jahre später, in Manuelle Medizin, im Kapitel Funktionsstörungen der Wirbelsäule bei Kindern, über eine Untersuchungsreihe bei Kindern:
Die Säuglinge und Kinder passen sich an ihre Eltern, den umgebenden Menschen, und den Vorgaben der Gesellschaft an. Sie lernen durch Nachahmung und Erziehung, zum Teil auch durch Selbsterziehung.
Was sagen internationale Experten dazu?
Es gibt sehr erfolgreiche Ansatzmodelle gegen Rückenschmerzen. Prof. Dr. McGill, Professor Emeritus des Spine Biomechanics Laboratory an der Universität Waterloo, Kanada, schreibt sogar: “es gibt keine unspezifischen Rückenschmerzen”.
McGill hat an der Universität Waterloo ein sehr gut ausgestattetes Labor für Versuche an Gewebe und echten Wirbelsäulen, sowie eine sehr gut ausgestattete Klinik für die Forschung in der Rehabilitation. Über seine Vorgehensweise sagt er unter anderem:
„Rückenverletzung sind kein lebenslanges Urteil, aber müssen klug behandelt werden. Wir können in der Regel die mechanische Ursache auf entsprechende Gewebeschäden zurückführen: Radial delaminierte Schichten resultieren meistens aus kumulierten Verletzungen von Scherkräften und Verdrehungen, fokale Bandscheibenvorfälle sind in der Regel durch wiederholte Biegung verursacht, und Stirnplattenfrakturen stammen zumeist aus Drucküberlastung. Ein Reha-Programm schaut für gewöhnlich wie folgt aus:
- Zunächst untersuchen wir das Sport-Training des Patienten, deren Bewegungsmuster und deren Lebensstil um die Verletzungsmechanismen zu finden.
- Dann bestätigen wir diese Mechanismen mit provokativen Tests – Kombinationen aus Bewegung, Körperhaltung, und Lasten – um die Schmerzen zu replizieren.
- Weiters quantifizieren wir mittels verschiedener Messverfahren und Computermodelle die Kombinationen die Schmerzen verursachen, sowie jene, die keine Schmerzen verursachen.
- Dann definieren wir ein Reha-Programm um die Schmerzen zu beseitigen.
- Letztendlich steigern wir das Reha-Programm zu einem Leistungssportprogramm, immer unter Beachtung der ursprünglichen Verletzungsmechanismen.”
Wie ist der Verlauf bei einem Bandscheibenvorfall?
Hier sei auf andere Websites verwiesen, die dies sehr schön darstellen. Beide Artikel geben einen ungefähren Überblick und etwas Hoffnung:
- Informationen zum Bandscheibenvorfall (auf netdoktor.de)
- Erfahrungsbericht eines Bandscheibenvorfalls (auf welt.de)
„In mehr als 80 Prozent der Fälle hilft es Schmerzmittel zu nehmen und abzuwarten, denn der Körper hilft sich selbst. Enzyme bauen über einige Wochen hinweg die vorstehenden Teile der Bandscheibe ab, alles verheilt von selbst. Wer sich schnell wieder bewegt, statt in Schmerzstarre zu verharren, unterstützt diesen Prozess. Wichtigstes Mittel ist Bewegung. Damit sich der Vorfall nicht wiederholt, muss der Patient an die Grundübel ran: Bewegungsarmut, Verfall der Bauch- und Rückenmuskulatur, Fehlhaltungen. 80 Prozent aller chronischen Rückenschmerzen sind auf eine vernachlässigte Muskulatur zurückzuführen”, sagt Professor Dietrich Grönemeyer, Spezialist für Mikrotherapie in Bochum.
Zusammenfassend könnte man sagen: laut Prof. Dr. Stuart McGill entstehen Rückenschmerzen durch falsche Bewegungsgewohnheiten (Ausnahmen sind z. B. ein Verkehrs- oder Sportunfall). Dadurch kommt es mit der Zeit zum kumulierten Schaden, und dann zum Vorfall.
Bevor man mit Rückenübungen beginnt, müssen diese falschen Bewegungsgewohnheiten gefunden und durch bessere ersetzt werden. Ich spreche mit Ihnen über Bewegungsgewohnheiten, erkläre mögliche Fehler, und bereite Sie so auf das Übungsprogramm vor.
Rechtlicher Hinweis: Die Feldenkrais-Methode ist eine Lern- und Lehrmethode, und ist im Sinne von §135 ASVG nicht der ärztlichen Hilfe gleichgestellt, und kann keinesfalls den Weg zum Arzt ersetzen.